Immer unter Beobachtung: Wie Carsharing-Firmen ihre Kunden überwachen

07.08.2025 - 5 min Lesezeit

Wer geteilte Autos fährt, wird von Kopf bis Fuß durchleuchtet

„Einfache Mobilität für alle“ lautet das Versprechen einer großen Carsharing-Plattform. Statt sich mit Werkstattterminen, Behördengängen oder TÜV-Inspektionen herumzuschlagen, soll man einfach ein Auto teilen können – schnell, flexibel, unkompliziert. Doch dieser Komfort hat seinen Preis. Carsharing-Anbieter nutzen die im Fahrzeug verbaute Technik, um das Fahrverhalten ihrer Kunden detailliert zu überwachen. Wer gegen Regeln verstößt, riskiert empfindliche Strafzahlungen.

Carsharing-Überwachung

Cavan-Images / shutterstock.com

Das Carsharing-Versprechen

Was ist das Versprechen von Carsharing-Anbietern?
Schnelle, flexible und unkomplizierte Mobilität ohne die Pflichten und Kosten eines eigenen Autos.

Hohe Werkstattkosten, steigende Versicherungsbeiträge und immer strengere Umweltauflagen: Halter eines Kraftfahrzeugs sehen sich einem immer höheren Kostendruck ausgesetzt. Da hat der eine oder andere vielleicht schon einmal darüber nachgedacht, auf ein eigenes Kfz zu verzichten.

Wer dennoch individuell mobil bleiben möchte, schaut sich nach Alternativen um. Eine davon sind sogenannte Free-Floating-Mietwagen. Sie können mittlerweile in jeder größeren Stadt an jedem Ort angemietet und wieder abgestellt werden und gelten als Erfolgsmodell der Shared Economy.

Grenzenlose Überwachung

Wie genau überwachen Carsharing-Anbieter ihre Nutzer?
Carsharing-Fahrzeuge wie die von Miles erfassen jede Bewegung im Auto, angeblich zur Sicherheit. Doch Kunden wie Engin Buldak berichten von pauschalen Verwarnungen und drohenden Strafzahlungen während der Leihe.

Die allgegenwärtigen Leihautos versprechen mehr Komfort und geringere Kosten. Doch dieser Vorteil geht auf Kosten der Privatsphäre und des Datenschutzes. Nutzer von Plattformen wie Miles Mobility müssen offenbar in Kauf nehmen, während der gesamten Fahrt umfassend überwacht und analysiert zu werden. Missfällt der Fahrstil, werden horrende Strafzahlungen angedroht.

So erging es auch dem Hamburger Marketingexperten Engin Buldak, über den der Spiegel berichtet. Nach einer gerade einmal 16-minütigen Fahrt mit einem Miles-Wagen erhielt er eine ominöse „Verwarnung“ wegen angeblich „auffälligen Fahrverhaltens“. Ohne jegliche Belege oder konkrete Angaben zum Vorfall stellte der Anbieter eine pauschale Drohung in den Raum. Beim nächsten Mal würden 250 Euro fällig.

Für Buldak, der seit 14 Jahren unfallfrei fährt, eine absurde Anschuldigung. Er fühlt sich zu Unrecht beschuldigt und kritisiert vor allem die intransparente Datenerhebung. Die eingesetzte Technik hält er für fragwürdig, den Umgangston der Anbieter für übergriffig. Der Umgang mit sensiblen Fahrdaten und die Konfrontation mit vagen Vorwürfen sei, so Buldak, schlicht „ungeheuerlich“.

Fahrassistenten als stille Kontrolleure

Was erfassen Fahrassistenten in Carsharing-Autos?
Sensoren und Telematik überwachen das gesamte Fahrverhalten. Auch Rauchen oder starkes Beschleunigen kann zu Strafen führen.

Was wie ein Einzelfall wirkt, ist längst Teil eines größeren Trends. Immer mehr Carsharing-Nutzer berichten von undurchsichtigen Verwarnungen und empfindlichen Strafandrohungen. Möglich macht dies auch die Technik der Fahrassistenten, die das Verhalten des Fahrers lückenlos erfasst und damit weit mehr überwacht, als vielen bewusst ist.

Ausgestattet mit Sensoren, Kameras und Telematikboxen zeichnen sie jede Bewegung auf, vom Lenken bis hin zur Luft im Innenraum. Die unauffälligen Geräte hinter der Windschutzscheibe melden verdächtige Daten direkt an die Firmenzentralen und teils sogar an Versicherer. „Starkes Beschleunigen“, „Driften“ oder auch das „Rauchen oder Vapen im Auto“ werden erkannt und können zu drastischen Gebühren führen.

Horrende AGB-„Bußgelder“

Wie hoch sind die Strafen bei Verstößen gegen die Anbieter-Regeln?
Miles verlangt bis zu 250 Euro für aggressives Fahren, 150 Euro für Sonderreinigungen und 100 Euro fürs Rauchen.

Ein Blick in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Miles offenbart ein ganzes Arsenal an Strafpauschalen. Stolze 250 Euro für „aggressives Fahrverhalten“, 150 Euro für eine „Sonderreinigung“, 100 Euro fürs Rauchen im Auto. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg kritisiert laut Spiegel diese teils versteckten Zusatzkosten. Oliver Buttler, Abteilungsleiter für Verbraucherrecht, hält die Höhe der Gebühren oft für unverhältnismäßig und rechtlich unzulässig. Er rät Betroffenen, sich gegen solche Forderungen zur Wehr zu setzen.

Datenschutz: Fehlanzeige

Was sagt der Datenschutz zum Vorgehen der Anbieter?
Der Schutz der Privatsphäre wird beim Vorgehen der Anbieter oft vernachlässigt. Obwohl die EU bereits 2016 strengere Datenschutzregeln forderte, bleiben viele Überwachungspraktiken bestehen.

Eine Sprecherin von Miles verteidigte das Vorgehen: Die Sensordaten sollen „unsachgemäße Fahrweise“ erkennen und Nutzer ermahnen. Die angedrohten Strafen dienten „als Druckmittel für mehr Vertragstreue“ und sollten bei gravierenden Verstößen auch Kosten für eine mögliche Außerbetriebnahme der Fahrzeuge ausgleichen.

Die umfassende Überwachung von Carsharing-Autos gilt seit Jahren als kritisch. Sekundengenaue Bewegungsprofile entstehen, während der Datenschutz oft vernachlässigt wird. Die EU-Verkehrsminister hatten mit der Amsterdamer Erklärung 2016 eigentlich einen wirksamen Schutz der Privatsphäre gefordert, bei gleichzeitigem Ziel, die Verkehrssicherheit zu erhöhen.

Zudem geriet Miles 2023 unter Verdacht, Parkgebühren von bis zu 30 Millionen Euro seit 2019 nicht an Berlin abgeführt zu haben. Dem Anbieter wird vorgeworfen, GPS-Daten manipuliert zu haben, um Zahlungen zu umgehen.

Quellen: spiegel.de, heise.de, miles-mobility.com

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