Kollision bei Vollalarm: Linksabbiegerin haftet für Zusammenstoß mit Hundestaffel

12.08.2025 - 5 min Lesezeit

Fehlender Schulterblick wird einer Autofahrerin zum Verhängnis

Wer abbiegt, muss besondere Vorsicht walten lassen und diese Sorgfalt im Zweifelsfall auch vor Gericht beweisen können. Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig. Eine Autofahrerin kollidierte mit einem Einsatzfahrzeug der Rettungshundestaffel. Obwohl das Fahrzeug trotz Verbot zum Überholen ansetzte, sprach das Gericht der Fahrerin die alleinige Schuld zu. Das liegt an zwei Besonderheiten im deutschen Verkehrsrecht.

Schulterblick VERGESSEN

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Wie es zum Unfall kam

Wie kam der Unfall zustande?
Eine Autofahrerin bog auf einer Straße mit Überholverbot links in eine Tankstelle ab und übersah ein Einsatzfahrzeug mit Blaulicht. Es kam zur Kollision.

Eine Autofahrerin wollte an einer Tankstelle abbiegen und wähnte sich auf einer Straße mit Überholverbot in Sicherheit. Was sie nicht sah: Von hinten näherte sich ein Einsatzfahrzeug, das auf dem Weg zu einer Bombenentschärfung unter Vollalarm fuhr. Das Fahrzeug mit Blaulicht krachte in das Heck ihres Ford Transit. Am Ende stand ein Schaden von rund 24.000 Euro.

Fahrzeughalter klagt auf Schadensersatz

Wie lief der Unfall aus Sicht beider Parteien ab?
Der Fahrzeughalter behauptete, das Einsatzfahrzeug war nicht wahrnehmbar und überholte unerlaubt. Die Rettungshundestaffel betonte, ihr Fahrzeug sei im Vollalarm unterwegs gewesen und die Fahrerin habe das Abbiegen nicht deutlich angezeigt.

Der Halter des Kastenwagens klagte daraufhin vor dem Landgericht (LG) Itzehoe (7 O 382/23) und verlangte über 10.000 Euro Schadensersatz. Er warf dem Einsatzfahrzeug vor, es sei nicht sichtbar oder hörbar gewesen und habe unerlaubt überholt. Die Rettungshundestaffel wies das zurück und betonte, dass ihr Fahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn unterwegs gewesen sei und der Abbiegevorgang der Autofahrerin nicht klar erkennbar war.

OLG Schleswig weist Schadensersatzanspruch zurück

Wie hat das OLG Schleswig zu dem Fall entschieden?
Das OLG wies den Schadensersatzanspruch zurück und bestätigte, dass die Fahrerin weder Schulterblicke gemacht noch rechtzeitig geblinkt hatte.

Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig bestätigte nach der Berufung des Fahrzeughalters die Entscheidung der Vorinstanz und wies den Schadensersatzanspruch zurück (7 U 87/24). Schon das LG Itzehoe hatte festgestellt, dass die Fahrerin des Kastenwagens weder Schulterblicke gemacht noch rechtzeitig geblinkt habe.

Die Begründung: Sonderrechte und Anscheinsbeweis

Wie lautete die Begründung des Gerichts?
Das Gericht berief sich auf den Anscheinsbeweis: Die Fahrerin trägt beim Linksabbiegen die Schuld, da sie keine Unschuld nachweisen konnte. Das Einsatzfahrzeug hatte zudem Sonderrechte und war vom Überholverbot befreit.

Für Linksabbieger gilt im deutschen Verkehrsrecht der sogenannte Anscheinsbeweis. Das bedeutet: Grundsätzlich wird vermutet, dass sie für einen Unfall verantwortlich sind. Die Fahrerin hätte daher belegen müssen, dass sie keine Schuld trägt. Dies ist ihr vor zwei Instanzen jedoch nicht gelungen.

Das Einsatzfahrzeug hingegen war berechtigt auf einer Einsatzfahrt, weshalb es laut § 35 Abs. 5a StVO von Verkehrsregeln wie dem Überholverbot befreit war. Während einer solchen Einsatzfahrt können Fahrer davon ausgehen, dass sie Sonderrechte in Anspruch nehmen dürfen, da es auf Schnelligkeit ankommt.

Fehlende Vorsicht trotz Blaulicht

Warum wurde der Fahrerin eine Pflichtverletzung vorgeworfen?
Weil sie keine Schulterblicke machte und damit nicht ausreichend auf das Einsatzfahrzeug achtete, das mit Blaulicht unterwegs war.

Das OLG bestätigte diese Einschätzung. Der Senat hielt es für unwahrscheinlich, dass die Fahrerin das Einsatzfahrzeug mit Blaulicht nicht gesehen haben soll. Sie gab sogar zu, keine zwei Schulterblicke gemacht zu haben.

Der Verkehrsverstoß sei daher eindeutig. Alles spreche dafür, dass sie quasi blind darauf vertraute, im Überholverbot vor dem von hinten kommenden Fahrzeug sicher abbiegen zu können. Das Einsatzfahrzeug sei aufgrund der im Einsatz geltenden Sonderrechte hingegen in der Tat berechtigt gewesen, an dieser Stelle trotz Verbot an dem Ford vorbeizufahren.

Fahrerin trägt die volle Schuld

Warum trägt die Fahrerin die volle Schuld?
Weil nach § 9 Abs. 5 StVO Abbiegende so fahren müssen, dass keine Gefahr für andere entsteht. Sie hätte im Zweifel stehenbleiben müssen.

Nach § 17 Abs. 1 StVG müssen die Verschuldensanteile der Unfallparteien im Schadensfall gegeneinander abgewogen werden. Beide Fahrzeuge hatten erhöhte Betriebsgefahr: Der Kastenwagen wegen eingeschränkter Sicht, das Einsatzfahrzeug wegen der Sonderrechte und des Überholvorgangs.

Das Gewicht der Schuld liege jedoch klar bei der Fahrerin. Nach § 9 Abs. 5 StVO müssen Abbiegende so fahren, dass keine Gefahr für andere entsteht. Im Zweifel hätte sie stehenbleiben müssen.

Quellen: rsw.beck.de, gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de

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