Wenn 1 km/h den Unterschied macht
Beim Blitzen ist der Wert nach Abzug der Messtoleranz entscheidend. Denn genau dieser Abzug kann im Einzelfall den Ausschlag darüber geben, wie hoch eine Strafe tatsächlich ausfällt. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat in einem aktuellen Urteil klargestellt: Wird nach Abzug des Toleranzwertes gerundet, muss dies immer zugunsten des Fahrers geschehen.

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Millimeterentscheidungen im Straßenverkehr
Wie hoch ist der Toleranzabzug bei Geschwindigkeitskontrollen?
Bis 100 km/h beträgt der Toleranzabzug 3 km/h, darüber 3 Prozent, bei Nachfahrmessungen 5 Prozent.
Knappe Kisten gibt es nicht nur im Fußball, sondern auch im Verkehrsrecht. Während im Stadion der Schiedsrichter sein Ermessen zugrunde legen kann, sind es im Straßenverkehr die Gerichte, die über feinzeichnerische Regel- beziehungsweise Rechtsfragen entscheiden müssen.
Eine davon betrifft den Toleranzabzug bei der Geschwindigkeitskontrolle. Damit ist ein vorgeschriebener Wert gemeint, der von einem Messergebnis abgezogen wird, damit Verkehrsteilnehmer nicht wegen möglicher Messungenauigkeiten zu Unrecht belangt werden.
Bis 100 km/h beträgt sie pauschal 3 km/h, darüber hinaus wird ein Abzug von 3 Prozent der gemessenen Geschwindigkeit vorgenommen. Bei Nachfahrmessungen, wie im vorliegenden Fall, beträgt sie 5 Prozent.
Der Fall: Tempoverstoß außerorts
Was war in dem konkreten Fall geschehen?
Ein Autofahrer wurde außerorts mit 158 km/h bei erlaubten 100 km/h gemessen. Ein Amtsgericht setzte die Überschreitung auf 155 km/h fest und verhängte ein 480-Euro-Bußgeld inkl. Fahrverbot.
In dem konkreten Fall war ein Autofahrer wegen einer außerorts gemessenen Geschwindigkeitsüberschreitung in erster Instanz verurteilt worden. Die polizeiliche Nachfahrmessung hatte eine Geschwindigkeit von 158 km/h bei erlaubten 100 km/h ergeben.
Davon werden in der Regel fünf Prozent Toleranz abgezogen, wobei das AG bei der Berechnung auf einen Wert von 7 km/h kam.
Das Amtsgericht ließ zudem ein Gutachten eines Sachverständigen erstellen, der bestätigte, dass das Fahrzeug mindestens 155 km/h gefahren sei. Auf Grundlage dieser Feststellungen setzte das Gericht die Überschreitung auf 55 km/h an und verhängte ein Bußgeld von 480 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot.
BayObLG: Toleranzabzug richtig runden
Was monierte das Bayerische Oberste Landesgericht?
Das BayObLG kritisierte, dass das AG den Toleranzabzug von 7,9 km/h fälschlicherweise auf 7 km/h abgerundet hatte, statt zugunsten des Fahrers auf 8 km/h aufzurunden.
Gegen diese Entscheidung vom 24. Oktober 2004 legte der Mann Rechtsbeschwerde ein, weshalb sich das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) mit dem Fall beschäftigen musste. Das Gericht stellte klar, dass nicht die vom Sachverständigen errechnete Mindestgeschwindigkeit, sondern die im standardisierten Messverfahren tatsächlich festgestellte Geschwindigkeit ausschlaggebend sei. Von den gemessenen 158 km/h musste der vorgeschriebene Toleranzabzug von 5 Prozent berücksichtigt werden, was rechnerisch 7,9 km/h entspricht.
Hier zeigte sich, welchen Unterschied die korrekte Gewährung der Toleranz macht: Während das Amtsgericht den Wert auf 7 km/h abgerundet hatte, entschied das BayObLG, dass auf 8 km/h aufzurunden sei, das heißt zugunsten des Betroffenen.
Dadurch reduziert sich die vorwerfbare Geschwindigkeit auf 150 km/h, also eine Überschreitung von nur 50 km/h. Das führte zur Senkung des Bußgelds auf 320 Euro, während das einmonatige Fahrverbot unverändert bestehen blieb (Az.: 201 ObOWi 22/25).
Die Begründung
Wie begründete das BayObLG seine Entscheidung?
Das BayObLG erklärte, dass Zwischenwerte beim Toleranzabzug zugunsten des Fahrers aufgerundet werden müssen.
Die Begründung des Gerichts lautete wie folgt: Geschwindigkeitsmessungen sind stets in ganzen km/h anzugeben und Zwischenwerte beim Toleranzabzug müssen zugunsten des Fahrers aufgerundet werden. Ein Abrunden würde den vorgeschriebenen Sicherheitsabschlag verringern und den Betroffenen benachteiligen.
Bereits wenige km/h können über die Höhe des Bußgelds oder die Verhängung eines Fahrverbots entscheiden. Bei Geschwindigkeitsmessungen sollte daher jeder Rechenschritt genau geprüft werden, selbst wenn ein Sachverständiger beteiligt ist. Rechtliche Unterstützung ist hier unerlässlich, um die eigenen Chancen voll auszuschöpfen.
Quelle: anwalt.de
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