das Wichtigste zuerst
- Entscheidung: Das OLG Brandenburg bejaht die Alleinhaftung des aus einem Grundstück auf die Straße einfahrenden Pkw nach dem Unfall mit einem Motorradfahrer (Az.: 12 U 96/24).
- Kernaussage: Der fließende Verkehr hat Vorrang über die gesamte Fahrbahn. Einfahrende müssen so handeln, dass eine Gefährdung anderer ausgeschlossen ist.
- Abgrenzung: Die durch parkende Fahrzeuge eingeschränkte Sicht beim Überholvorgang des Bikers kann nicht als unklare Verkehrslage ausgelegt werden.
- Folgen: Eine Mithaftung des Motorradfahrers entfällt daher. Zudem erhält dieser ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000.

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Worum es geht
In dem vorm Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg verhandelten Fall fuhr ein Autofahrer innerorts aus einer Grundstücksausfahrt auf die Straße. Dort kollidierte er mit einem Motorrad, das gerade ein anderes Auto überholen wollte. Der dabei verletzte Motorradfahrer verlangte Schmerzensgeld. Der Haftpflichtversicherer des Pkw-Fahrers hingegen berief sich unter anderem auf eine unklare Verkehrslage und wollte eine Mithaftung des Bikers geltend machen.
Begründung des Gerichts
Doch das OLG sah die alleinige Schuld beim Autofahrer. In ihrem Urteil vom 11. November 2025 (Az.: 12 U 96/24) verwiesen die Richter insbesondere auf § 10 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Demzufolge muss ein Verkehrsteilnehmer, der aus einem Grundstück auf die Fahrbahn einfährt, so handeln, dass eine Gefährdung anderer ausgeschlossen ist. In dem konkreten Fall jedoch fuhr der ausfahrende Pkw mit rund 11 km/h in den Straßenraum. Das entspräche laut OLG nicht dem Herantasten, das vom Gesetzgeber verlangt werde.
Einwandfreier Überholvorgang
Ein Verkehrsverstoß des Motorradfahrers war hingegen nicht zu beweisen, da er weder zu schnell gefahren war noch gegen ein mögliches Überholverbot verstoßen hatte. Parkende Autos im innerörtlichen Bereich sind nach Auffassung des Gerichts erwartbar und erfüllen nicht die Definition einer unklaren Verkehrslage.
Diese läge nur vor, wenn sich nach objektiven Umständen ein gefahrloses Überholen nicht verlässlich beurteilen lässt. Der überholende Motorradfahrer hätte zudem nicht damit rechnen müssen, dass aus einer Einfahrt ohne ausreichende Sicht in den fließenden Verkehr hineingefahren wird.
Konsequenzen für die Praxis
Aus einer Einfahrt ausfahrende Verkehrsteilnehmer haben demnach größte Sorgfaltspflicht. Wer kein freies Sichtfeld hat, muss sich langsam vortasten und darf sich erst dann in den Verkehr einordnen, wenn jede Gefährdung ausgeschlossen ist. Dabei gilt es, den Blinker zu setzen, Schrittgeschwindigkeit einzuhalten und mit Blick in den Rückspiegel und Schulterblick dafür Sorge zu tragen, dass eine Übersicht über den gesamten Verkehr gegeben ist.
Daraus folgt: Sofern ein Verstoß gegen § 10 StVO feststeht, ist die Versicherung des in den Straßenverkehr Einfahrenden und nicht die der Teilnehmer des fließenden Verkehrs für die Schadensregulierung zuständig.
Stand: 28.11.2025
Quellen:
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