Fallstricke im Straßenverkehr: Diese Urteile sollten Autofahrer kennen
Bei Blaulicht schnell nach Hause fahren, das Auto in die Einfahrt stellen – und schon ist man aus dem Schneider. Ein riskanter Irrtum. Denn wer alkoholisiert am Steuer sitzt, kann sich auch auf dem eigenen Grundstück nicht vor polizeilichen Maßnahmen schützen. Das Amtsgericht München stellt klar: Besteht der Verdacht auf eine Trunkenheitsfahrt, sind Alkoholkontrollen und sogar Blutentnahmen auch auf Privatgrund zulässig. Welche weiteren, folgenreichen Verkehrsrechts-Irrtümer Autofahrer kennen sollten, erklärt die Verkehrsrechtsexpertin und Geblitzt.de-Partneranwältin, Melanie Leier.

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LG Hagen: Warnblinker nicht immer verpflichtend
Ein weiterer weit verbreiteter Irrglaube betrifft den richtigen Einsatz von Warnblinkern. Das Landgericht Hagen stellte 2022 klar, dass ein Lkw-Fahrer beim Abbremsen aufgrund eines Staus – entgegen der landläufigen Vorstellung – nicht verpflichtet war, die Warnblinkanlage zu betätigen (1 O 44/22).
Ein Autofahrer war dem Mehrtonner aufgefahren und hatte den Fahrer wegen unterlassener Warnung verklagt. Laut Rechtsexpertin Leier sind solche Warnblink-Hinweise aber nicht bei jedem Bremsvorgang erforderlich. Diese sollen dann zum Einsatz kommen, wenn „der Fahrer sich oder andere gefährdet sieht (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 StVO) und können dann eine Mithaftung verhindern. Das gilt typischerweise bei plötzlichen Stauenden hinter Kurven – nicht jedoch auf gut einsehbaren Autobahnabschnitten bei erkennbarem Bremsvorgang“, so Leier.
OG Karlsruhe: Nutzung des Touchscreens kann unter Handyverbot fallen
Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied 2019, dass auch ein fest verbauter Touchscreen im Cockpit unter das Handyverbot am Steuer (§ 23 Abs. 1 a StVO) fallen kann. In dem konkreten Fall wollte ein Tesla-Fahrer während der Fahrt die Scheibenwischer einstellen, kam von der Fahrbahn ab und verursachte einen Unfall (1 Rb 36 Ss 832/19).
Entscheidend ist laut Melanie Leier in solchen Fällen, „ob der Fahrer durch die Nutzung elektronischer Geräte so abgelenkt wird, dass er seine Pflichten im Straßenverkehr nicht mehr ordnungsgemäß wahrnehmen kann. Autofahrer sollten sich daher vor Fahrtantritt mit allen wesentlichen Funktionen vertraut machen oder gegebenenfalls das Fahrzeug anhalten. Andernfalls drohen Bußgelder, Punkte in Flensburg und gegebenenfalls ein Fahrverbot.“
OLG Hamm: Zugewuchertes Verkehrsschild ist nicht rechtskräftig
Laut einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm von 2009 verliert ein Verkehrsschild seine Rechtswirkung, wenn es so stark zugewuchert oder verdeckt ist, dass es für den Fahrer objektiv nicht erkennbar ist (III-3 RBs 336/09).
„Ein Schild bleibt jedoch bei geringfügiger Sichtbehinderung – etwa durch Laub, leichten Schmutz oder einen Ast – verbindlich, solange sein Regelungsgehalt noch erkennbar ist. Autofahrer können sich also nicht ohne Weiteres darauf berufen, ein Schild sei ausreichend sichtbar gewesen. In Zweifelsfällen kann eine genaue fotografische Dokumentation hilfreich sein“, erklärt Rechtsexpertin Leier.
BGH: Rückwärtsfahren in Einbahnstraßen unzulässig
Laut einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 2022 ist Rückwärtsfahren in Einbahnstraßen grundsätzlich nur zum Einparken oder beim Verlassen einer Grundstückseinfahrt erlaubt (VI ZR 287/22).
Fährt man länger entgegen der Fahrtrichtung im Rückwärtsgang, ist dies laut Melanie Leier unzulässig und kann nicht durch Zeitersparnis oder Bequemlichkeit gerechtfertigt werden. „Wer keine zulässige Wendemöglichkeit findet, muss im Zweifel einen Umweg in Kauf nehmen“, so die Verkehrsrechtsexpertin.
OLG Saarbrücken: Beim Rückwärtsausparken haftet der Fahrer
Autofahrer sollten beim Rückwärtsfahren generell besonders vorsichtig sein. Dies bestätigte auch das Oberlandesgericht Saarbrücken 2014: Wer rückwärts aus einer Parklücke ausparkt, trägt eine erhöhte Sorgfaltspflicht (4 U 46/14).
Kommt es dabei zu einem Unfall, trifft den Rückwärtsfahrenden in der Regel die volle Schuld. Anwältin Leier verweist diesbezüglich auf § 9 Abs. 5 der StVO, der dazu verpflichtet, „sich beim Rückwärtsfahren so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.“
Bundesverfassungsgericht: Fahrerhaftung bei Parkverstößen
Das Bundesverfassungsgericht stellte 2023 klar, dass Fahrzeughalter für Parkverstöße nur haftbar gemacht werden können, wenn ihnen das Fehlverhalten eindeutig nachgewiesen wird (2 BvR 1457/23).
„Die Entscheidung stellt keine grundlegende Änderung der Rechtslage dar, betont jedoch nochmals, dass die Bußgeldbehörden die tatsächliche Fahrereigenschaft beweisen müssen. Ein bloßes Foto des geparkten Fahrzeugs oder der Verweis auf die Haltereigenschaft genügt hierfür nicht“, so Leier. Es bedarf zusätzlicher Beweise wie Zeugenaussagen. Diese müssen bestätigen, dass der Halter selbst gefahren ist.
AG München: Alkoholkontrollen auch auf Privatgrund zulässig
Das Amtsgericht München entschied 2018, dass die Polizei auch auf Privatgrundstücken Alkoholkontrollen durchführen darf, wenn der Verdacht besteht, dass der Fahrer zuvor am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat (953 OWi 421 Js 125161/18).
„Liegt ein hinreichender Anfangsverdacht vor, darf die Polizei auch auf privatem Gelände entsprechende Maßnahmen einleiten – insbesondere die richterliche Anordnung einer Blutentnahme oder bei Gefahr im Verzug auch durch die Polizei selbst. Dieser Anordnung ist grundsätzlich Folge zu leisten“, so Anwältin Leier. Autofahrer können sich demnach nicht auf ein vermeintliches „Zufluchtsrecht“ auf Privatgrund berufen, um sich polizeilichen Maßnahmen zu entziehen.
Bußgeldvorwürfe stets über Geblitzt.de prüfen lassen
Bei Geblitzt.de arbeitet die CODUKA GmbH eng mit großen Anwaltskanzleien zusammen und ermöglicht es Betroffenen, sich gegen Bußgelder, Punkte und Fahrverbote zu wehren.
Rechtsschutzversicherungen übernehmen die Kosten eines vollständigen Leistungsspektrums unserer Partnerkanzleien. Ohne eine vorhandene Rechtsschutzversicherung übernimmt die CODUKA GmbH als Prozessfinanzierer die Kosten der Prüfung der Bußgeldvorwürfe und auch die Selbstbeteiligung Ihrer Rechtsschutzversicherung.
Täglich erreicht das Geblitzt.de-Team eine Flut von Anfragen. 12 % der betreuten Fälle werden eingestellt, bei weiteren 35 % besteht die Möglichkeit einer Strafreduzierung.
Quelle: Geblitzt.de
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