Falschparker-Melder zu Schadensersatz verurteilt: Gericht stuft Beifahrer-Foto als Datenschutzverstoß ein

10.11.2025 - 5 min Lesezeit
das Wichtigste zuerst

Fall: Ein Fußgänger fotografierte einen an einer Haltestelle stehenden Renault als Falschparker, wobei der im Wagen verbliebene Beifahrer frontal sichtbar war und übermittelte das Foto samt Metadaten an das Melde-Portal weg.li.

Rechtsgrundlage: Der Beifahrer erkannte sich auf der Aufnahme und leitete daraufhin rechtliche Schritte gegen den Melder ein, indem er ihn auf Löschung und Schadensersatz nach der Datenschutzgrundverordnung verklagte.

Urteil: Das OLG Dresden bestätigte die Klage des Beifahrers. Der Melder wurde zur Löschung des Fotos und zur Zahlung von 100 Euro Schadensersatz verurteilt.

Begründung: Der Melder gilt als privater Datenverarbeiter und konnte sich nicht auf Ausnahmen für staatliche Stellen (Strafverfolgung, öffentliches Interesse) berufen. Er hätte das Foto verpixeln müssen.

Folgen: Wer Falschparker meldet, wird selbst zum Datenverarbeiter und haftet für DSGVO-Verstöße.

Falschparker-Melder zu Schadensersatz verurteilt: Gericht stuft Beifahrer-Foto als Datenschutzverstoß ein

© IhorL / shutterstock.com

„Anzeigenhauptmeister“ schießt übers Ziel hinaus

Im Straßenverkehr kochen die Gefühle schnell hoch. Das betrifft nicht nur motorisierte Verkehrsteilnehmer. Auch Fußgänger fallen durch impulsives und unüberlegtes Handeln auf. Dass ein solches Verhalten Konsequenzen haben kann, zeigt ein aktueller Fall vor dem OLG Dresden.

Ein Mann wurde zu 100 Euro Schadensersatz verurteilt, nachdem er den Beifahrer eines Falschparkers – wohl aus Ärger über das Parken an einer Haltestelle – ohne dessen Wissen fotografiert und das ungefilterte Ergebnis an das Melde-Portal weg.li übermittelt hatte (4 U 464/25).

Der konkrete Sachverhalt

An einer Haltestelle stand ein Renault mit ausgestiegenem Fahrer. Der Beifahrer verblieb im Wagen und war auf dem Foto frontal sichtbar. Ein Fußgänger fotografierte die Szene und übermittelte das Bild unbearbeitet als Beleg seiner Meldung an das Portal weg.li.

Dieser unachtsame Umgang mit dem Bildmaterial zog unmittelbare Konsequenzen nach sich: Der Beifahrer erkannte sich auf der Aufnahme (vermutlich des Bußgeldbescheides) und leitete daraufhin rechtliche Schritte gegen den Melder ein, indem er ihn auf Löschung und Schadensersatz nach der Datenschutz-Grundverordnung verklagte.

Melder wird zum Datenverarbeiter ohne Rechtsgrundlage

Das OLG bestätigte die Klage in zweiter Instanz und sah in der Anfertigung des Fotos eine Datenverarbeitung im Sinne der DSGVO. Der 4. Zivilsenat begründete dies damit, dass das frontal sichtbare Gesicht des Beifahrers bereits biometrische Daten darstelle.

Da zusätzlich Metadaten wie Uhrzeit und Standort gespeichert wurden und keine Einwilligung des Beifahrers vorlag, musste die Verarbeitung auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen. Eine solche Rechtsgrundlage konnte das Gericht im vorliegenden Fall jedoch nicht feststellen.

Was ist weg.li?

Weg.li ist eine Online-Plattform, die es Privatpersonen ermöglicht, Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung (Ordnungswidrigkeiten) mittels Fotos und Standortdaten zu dokumentieren und gebündelt zu versenden. Das Portal fungiert dabei lediglich als Übermittler der durch den Nutzer erstellten und verantworteten privaten Anzeige an die Behörden.

Warum die Datenverarbeitung rechtswidrig war

Das OLG Dresden lehnte alle Versuche des Beklagten ab, die Datenverarbeitung zu rechtfertigen. Zunächst stellten die Richter klar, dass die Ausnahmen der DSGVO für die Strafverfolgung und das öffentliche Interesse nur für zuständige Behörden gelten – der Melder handelte jedoch als Privatperson.

Da ihm keine hoheitliche Aufgabe übertragen wurde, musste er sich an die strengen Regeln der DSGVO halten. Eine private Rechtfertigung für das Fotografieren Dritter ohne deren Einwilligung sah der Senat in diesem Fall nicht.

OLG: Das Persönlichkeitsrecht wiegt schwerer

Trotz des allgemeinen Interesses an der Falschparker-Meldung entschied das OLG im Rahmen der Interessenabwägung, dass das Persönlichkeitsrecht des Beifahrers überwog.

Der Melder hätte das Foto zudem weniger intensiv gestalten müssen, indem er den Beifahrer ausgelassen oder nachträglich verpixelt hätte. Da der Beifahrer zudem in einer privaten Situation abgelichtet wurde und nicht im öffentlichen Raum, lag ein unnötiger Eingriff vor, der nicht durch den Zweck der Anzeige gerechtfertigt war.

Das Urteil: Löschung und Schadensersatz für den Beifahrer

Im Ergebnis sprach der Senat dem Beifahrer einen Anspruch auf Löschung des Fotos zu (Art. 17 Abs. 1 DSGVO). Die Behauptung des Melders, er habe das Bild von seinem Handy gelöscht, wies das Gericht ab, da er dies nicht konkret beweisen konnte.

Darüber hinaus wurde der Melder zu 100 Euro immateriellem Schadensersatz (Art. 82 Abs. 1 DSGVO) verurteilt, weil bereits der kurze Kontrollverlust über die eigenen Daten eine Entschädigung rechtfertigt. Diese Kosten sind jedoch gering im Vergleich zu den 627,13 Euro vorgerichtlichen Anwaltskosten, die der Melder ebenfalls übernehmen muss.

Stand & Quellen

Stand: 10.11.2025

OLG Dresden, Endurteil vom 09.09.2025 – 4 U 464/25 (Bericht)

OLG Dresden, 09.09.2025 – 4 U 464/25 – dejure.org

Stadt Dresden: Ordnungswidrigkeiten im Verkehr anzeigen

Weitere News!