Landgericht Köln entscheidet zur Schuldfrage beim Verkehrsunfall im EU-Ausland
Dass ein deutscher Autofahrer einem Mitbürger ins Auto fährt, ist nichts Ungewöhnliches. Doch was passiert, wenn sich ein solcher Unfall nicht in der Bundesrepublik, sondern im EU-Ausland ereignet? Mit genau dieser Frage beschäftigte sich das Landgericht (LG) Köln. Im Zentrum des Verfahrens stand die Frage, welches nationale Recht bei der Klärung der Schuld- und Haftungsfrage gilt: das deutsche oder das österreichische.

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Deutsch-deutscher Zusammenstoß in Tirol
Wie kam es zum deutschen Zusammenstoß in Tirol?
Ein Mann überholte mehrere Fahrzeuge, während eine andere Fahrerin gleichzeitig nach links abbog. Dadurch kam es zur Kollision.
Im August 2023 trafen auf der B179 in Tirol, Österreich, zwei deutsche Autofahrer aufeinander – im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Mann war gerade dabei, mehrere Fahrzeuge auf der Fernpassstraße zu überholen, als eine Fahrerin zur gleichen Zeit nach links abbog. Es kam zur Kollision der Bundesbürger und in der Folge verlangte der Mann Schadenersatz von der Versicherung der Unfallgegnerin.
Die deutsche Schuldfrage
Welches Recht gilt für die Schuldfrage beim Unfall in Österreich?
Für die Klärung der Schuldfrage wendet das Gericht österreichisches Recht an, da die Haftung am Unfallort in Tirol entstanden ist.
In einem solchen Sonderfall stellt sich zunächst die Frage, welches nationale Recht zur Anwendung kommt. Erst auf dieser Grundlage kann das Gericht feststellen, wer welchen Anteil an der Schuld trägt und entsprechend haftet.
Das Landgericht Köln orientierte sich zunächst an Art. 17 der Rom-II-Verordnung. Dieser besagt, dass das Recht des Ortes gilt, an dem die Haftung entstanden ist. Im Falle des beschriebenen Zusammenstoßes ist dies der Unfallort, also Österreich. Für die Ermittlung der Schuldfrage komme daher das österreichische Recht zur Anwendung.
Die österreichische Haftungsfrage
Welches Recht gilt hingegen für die Schadensersatzfrage?
Für die Schadensersatzfrage gilt deutsches Recht, da beide Unfallbeteiligten in Deutschland leben.
Im Schadensrecht ist dagegen entscheidend, an welchem Ort der Schaden effektiv eintritt. Leben beide Unfallparteien im gleichen Land, wird die nationale Rechtsprechung dieses Landes herangezogen. Dort wird auch entschieden, wie hoch die Schadensersatzansprüche ausfallen und auf welcher Rechtsgrundlage sie erhoben werden können. Für die Ermittlung der Haftungsfrage müsse daher das deutsche Recht als Grundlage dienen.
LG Köln: Kläger muss nach österreichischem Verkehrsrecht rechts überholen
Warum hätte der Kläger rechts überholen müssen?
Weil er nach österreichischem Verkehrsrecht dazu verpflichtet war.
Das LG Köln kam daher zu dem Ergebnis, dass das Verfahren sowohl nach dem österreichischen Verkehrsrecht als auch nach dem deutschen Schadensersatzrecht bewertet werden muss. Betrachtet man den Fall durch die Brille des österreichischen Verkehrsrechts, kommt das Gericht unter Berücksichtigung aller Beweise demnach zu folgender Schlussfolgerung:
Der klagende Autofahrer habe den leuchtenden linken Blinker der Autofahrerin zwar bemerkt, aber nicht entsprechend reagiert. Zudem habe die Frau ihr Tempo reduziert und sei bereits in der Fahrbahnmitte gefahren. So war der Mann nach Paragraf 15 Abs. 2 lit. a) der Österreichischen Straßenverkehrsordnung (ÖStVO) verpflichtet, die Abbiegerin nicht mehr links, sondern rechts zu überholen.
Gericht sieht Schuld beim überholenden Fahrer
Wer trägt die Schuld an dem Unfall?
Das Landgericht Köln sah die volle Schuld beim klagenden Fahrer, weil er trotz Überholverbots und der Abbiegeabsicht der Frau überholte.
Die Norm entspricht dem deutschen Paragrafen 5 Abs. 7 Satz 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO), der vorschreibt, dass ein Überholender ausreichend Abstand halten und Gefährdungen vermeiden muss. Zudem galt ein Überholverbot nach Paragraf 16 Abs. 1 lit. a) ÖStVO, da ein gefahrloses Vorbeifahren am Fahrzeug der Frau zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich war. Nach Ansicht des Landgerichts Köln verstieß der klagende Mann damit gegen diese Pflichten des österreichischen Straßenverkehrsrechts.
Keine Pflichtverletzung bei der beklagten Autofahrerin
Wie bewertete das Gericht das Verhalten der Fahrerin?
Das LG bewertete das Verhalten der Fahrerin als korrekt, da sie ihre Abbiegeabsicht deutlich durch Blinker und Einordnen angezeigt hatte und in Österreich ein einfacher Schulterblick genügt.
Einen Regelverstoß der Unfallgegnerin konnte das Gericht auf Grundlage der österreichischen Gesetze hingegen nicht feststellen. Das liegt auch an einem wichtigen Unterschied beim Schulterblick. In Deutschland gibt es die Pflicht zum sogenannten doppelten Schulterblick beim Linksabbiegen (Paragraf 9 Abs. 1 Satz 4 StVO).
Das bedeutet: Man muss sowohl vor dem Einordnen als auch vor dem eigentlichen Abbiegen nach hinten schauen. In Österreich dagegen gilt nur eine einmalige „Rückschaupflicht“ vor dem Einordnen (Paragraf 12 Abs. 1 ÖStVO).
Nachdem die Fahrerin durch Blinker und Einordnen zur Fahrbahnmitte deutlich gezeigt hatte, dass sie abbiegen wollte, müsse sie auch keinen zweiten Schulterblick machen. Das Gericht sah die volle Schuld für den Unfall schließlich beim klagenden Fahrer und wies seine Klage gegen die Versicherung der Frau ab.
Quelle: lto.de
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