Warum Messtafeln wie auf Sylt keine Bußgelder nach sich ziehen
Nicht jedes Gerät in der Verkehrsüberwachung ist darauf ausgelegt, Temposünder zu identifizieren und mit Bußgeldvorwürfen zu konfrontieren. Dialog Displays etwa sind elektronische Tafeln, die nur über eine Geschwindigkeitsanzeige verfügen. Sie sollen das Fahrverhalten der Verkehrsteilnehmer positiv beeinflussen, indem sie den Fahrer unmittelbar und ohne Sanktion auf sein aktuelles Tempo aufmerksam machen. Das führt aber auch dazu, dass exorbitant hohe Tempoverstöße wie im Falle des Sylt-Rasers bekannt aber nicht geahndet werden.

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Messtafel entdeckt Rekordraser
Warum erhielt der Sylt-Raser trotz über 200 km/h Überschreitung kein Bußgeld?
Die Geschwindigkeit wurde nur von einer Messtafel (Dialog Display) erfasst, die keine Fotos oder personenbezogenen Daten speichert.
Im Juli wurde ein Fahrzeug mit 252 Kilometern pro Stunde in einer Tempo-50-Zone auf dem Bahnweg in Westerland erfasst. Trotz der extremen Geschwindigkeit folgten weder Bußgeld noch Punkte oder Fahrverbot. Der Grund ist simpel: Die Erfassung erfolgte durch eine Messtafel, auch Dialog Display oder Tempoanzeige genannt.
Dialog Displays: symbolische Verkehrsüberwachung
Wofür sind Messtafeln im Straßenverkehr gedacht?
Sie sollen das Fahrverhalten positiv beeinflussen, indem sie Verkehrsteilnehmern ihre aktuelle Geschwindigkeit anzeigen.
Messtafeln gehören zu den eher zahnlosen Gerätschaften, die zur Überwachung des Verkehrs eingesetzt werden. Das liegt daran, dass sie lediglich die aktuelle Geschwindigkeit des anvisierten Fahrzeugs speichern, anzeigen und mit einem wortkargen Appell zur Mäßigung verbinden können.
Dieser lautet in der Regel: „Langsam Fahren“ oder „Zu schnell“. Andere Gerätvarianten nutzen Farben, Emojis, Pfeile oder noch kürzere Schriftbotschaften wie „Danke“, um Autofahrer zum behutsamen Fahren zu animieren.
Ohne Foto kein Bußgeldverfahren
Warum bleiben die Messungen folgenlos?
Weil die Identität des Verkehrssünders unerkannt bleibt.
Auch die Gemeinde Sylt setzt auf die Tempo-Tafeln. Doch auch wenn die Geräte technisch präzise messen und hohe Geschwindigkeiten speichern können, besitzen sie eine entscheidende Einschränkung: Sie machen keine Fotos. Fahrzeug und Fahrer bleiben somit anonym.
Für Bußgeldverfahren ist das ein Problem. Denn um Verkehrssünder zu sanktionieren, braucht es nicht nur abstrakte Zahlen in Form von Messwerten, sondern auch einen Nachweis über die Identität des Fahrers. Kein Blitzer-Foto, kein Bußgeld.
Über 200 km/h innerorts zu schnell: Was der Bußgeldkatalog vorsieht
Wie hoch wäre die Strafe für den Sylt-Raser ausgefallen?
800 Euro Bußgeld, zwei Punkte und drei Monate Fahrverbot wären mindestens fällig gewesen.
Wäre die massive Tempoüberschreitung von über 200 km/h innerorts geahndet worden, hätte dies folgende Konsequenzen gehabt: ein Bußgeld von 800 Euro, zwei Punkte in Flensburg und ein dreimonatiges Fahrverbot. Bei vorsätzlichem Handeln, etwa durch bewusstes Überschreiten der Geschwindigkeit, hätte sich die Summe sogar auf 1.600 Euro erhöht.
Verkehrsforscher: „Im bevormundenden Straßenverkehr fehlt das Lob“
Sind Messtafeln im Straßenverkehr wirkungslos?
Studien zeigen, dass Autofahrer beim Anblick eines Dialogdisplays ihre Geschwindigkeit im Schnitt um 1,8 bis 6 km/h reduzieren.
Doch sind die Messtafeln tatsächlich so wirkungslos, wie behauptet? Laut auto-motor-sport.de handelt es sich bei dem Sylt-Raser nur um ein prominentes Beispiel, die Dunkelziffer der unentdeckten Rekordraser sei vermutlich viel höher. Man könne bestehende Messtafeln durch Hinzufügen einer Foto-Funktion aufrüsten, um die Glaubwürdigkeit der Verkehrspolitik zu wahren.
Das sieht der Verkehrspsychologe Prof. Bernhard Schlag von der TU Dresden anders. Tatsächlich tragen die Tempoanzeigen einen vernachlässigten, aber doch wichtigen Teil zum sicheren Straßenverkehr bei: „Wir erleben den Straßenverkehr als sehr bevormundend, was notwendig ist, um angepasstes und korrektes Fahrverhalten zu fördern, aber es fehlt das Lob.“
Die Wirkung der Anzeigen konnte zudem in einer Studie der Unfallforscher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) nachgewiesen werden. Demzufolge verringern Autofahrer ihre Geschwindigkeit im Schnitt um 1,8 bis 6 km/h, wenn sie ein Dialogdisplay sehen.
Quellen: auto-motor-und-sport.de, br.de
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