Beim Ausweichen eines RTW geblitzt: Mann sollte 30 Euro Verwarngeld zahlen

19.11.2025 - 5 min Lesezeit
das Wichtigste zuerst
  • Der Vorfall: Autofahrer Jürgen A. wurde in Hannover auf der Friedrich-Ebert-Straße geblitzt, als er einem Rettungswagen (RTW) Platz machte.
  • Die Strafe: Weil er während des Ausweichmanövers das Tempolimit mit insgesamt 10 km/h überschritt, sollte A. ein Verwarngeld in Höhe von 30 Euro zahlen.
  • Der Konflikt: Der Betroffene legte Widerspruch ein, da er nur wegen des RTW beschleunigt hatte. Die Stadt beharrte dennoch auf dem Verwarngeld.
  • Die Begründung: Die Bußgeldstelle stufte den Fall als Sonderfall ein. Der Fahrer handelte in guter Absicht, jedoch streng genommen nicht gesetzeskonform.
  • Die Rechtslage: Die Pflicht zur unverzüglichen Freigabe der Fahrbahn nach Paragraf 38 StVO entbindet den Fahrer nicht davon, die übrigen Verkehrsvorschriften einzuhalten.

Beim Ausweichen eines RTW geblitzt: Mann sollte 30 Euro Verwarngeld zahlen

© Tobias Arhelger / shutterstock.com

Beim Ausweichen geblitzt

Jürgen A. versteht die Welt nicht mehr. „Dieser Brief hat mich auf die Palme gebracht“, erzählt er der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Auslöser ist ein Schreiben vom 6. November. Dabei handelt es sich um eine erneute Zahlungsaufforderung für ein Verwarngeld.

Ihm wird vorgeworfen, auf der Friedrich-Ebert-Straße in Hannover zehn km/h zu schnell gefahren zu sein. Der Hannoveraner bestreitet das auch nicht, fühlt sich aber dennoch ungerecht behandelt. Denn zu dem erhöhten Tempo kam es nur, weil er einem sich von hinten nähernden Rettungswagen Platz machen musste.

Fürs Platzmachen bestraft

Die Geschwindigkeit an dem Ort des Geschehens ist auf 40 km/h begrenzt. Daher sollte A. 30 Euro Verwarngeld für die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zahlen. Nach seinen Schilderungen war der Mann stadteinwärts auf der linken von zwei Richtungsspuren unterwegs. In diesem Moment bemerkte er das Einsatzfahrzeug, welches sich mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn näherte.

„Ich wollte sofort Platz machen. Da jedoch die rechte Spur belegt war und ich keine Lücke gesehen habe, habe ich kurz beschleunigt und mich vor das vorderste Fahrzeug gesetzt“, erklärt A. Genau in diesem Moment wurde er vom Blitzer erfasst.

Reaktion der Stadt Hannover verärgert Betroffenen

Das erste Schreiben der Stadt, das kurz nach dem Vorfall vom 11. Oktober eintraf, ließ Jürgen A. unberührt. Als „unverschämt“ bewertet er jedoch den Umgang mit seinem Widerspruch, in dem er die genauen Umstände seines Verstoßes dargelegt hatte. Der Grund: Die Stadt bestätigte am 6. November in ihrer Antwort selbst, dass sich tatsächlich ein Rettungswagen von hinten genähert hatte.

Hätte die Stadt das Verwarngeld streichen müssen?

„Dieses stellt aber keine Rechtfertigung für eine Beschleunigung dar. Vielmehr hätten Sie die Geschwindigkeit verringern oder, falls erforderlich, anhalten müssen“, so das Statement der Verwaltung.

Zeilen, die A. in pure Aufregung versetzen. Der routinierte Autofahrer ist sich sicher: „Wenn ich abgebremst oder angehalten hätte, wäre der Rettungswagen nicht vorbeigekommen. In dem Moment, in dem die Stadt festgestellt hat, dass es diesen Krankenwagen wirklich gab, hätte sie von diesem Verwarngeld absehen müssen“, fordert der Autofahrer. Laut eigener Aussage soll er noch nie zuvor zu schnell gefahren sein.

Nach Presseanfragen: Bußgeldstelle lenkt ein

Stand heute hat die Bußgeldstelle in Hannover tatsächlich von dem bereits bezahlten Verwarngeld abgesehen und beteuert, es Jürgen A. zurückzuerstatten. Dieser Schritt wurde aber erst in Aussicht gestellt, nachdem sich haz.de dort im Rahmen einer Recherche nachgefragt hatte. Oder in den Worten des Stadtsprechers Dennis Dix: „Die Entscheidung ist auf Grundlage neuer Informationen und der besonderen Umstände dieses Einzelfalles getroffen worden.“

Dix erklärt weiter: „Der Fahrer hat in der Stresssituation aus mehreren Möglichkeiten nicht die beste ausgewählt, aber er handelte in guter Absicht zum Schutz höherer Interessen, in diesem Fall Gefahr für Leib und Leben.“

Sonderfall Einsatzfahrt

Allerdings betont die Stadt auch, dass es sich um einen Sonderfall handelt, der nicht auf andere übertragbar ist. Sie führt Paragraf 38 der Straßenverkehrsordnung (StVO) an, demzufolge alle Verkehrsteilnehmer freie Bahn schaffen müssen, wenn Fahrzeuge mit Martinshorn und Blaulicht passieren wollen.

Trotzdem sei es grundsätzlich nicht zulässig, zur Platzgewinnung zu beschleunigen, wenn sich Fahrzeuge mit Sondersignalen nähern. Auch Rettungsfahrzeuge sind gemäß Paragraf 1 StVO dazu verpflichtet, bei Einsatzfahrten die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer zu wahren.

Zwar erklärte die Stadt, es sei „nachvollziehbar, dass solche Situationen oft stressbehaftet sind“ und subjektiv verzerrt wahrgenommen werden – was man bei der Prüfung stets berücksichtige. Im konkreten Fall von Jürgen A. führte diese Berücksichtigung allerdings erst nach dem Widerspruch und dem Interesse der Presse zur Korrektur zugunsten des Fahrers.

Stand & Quellen

Stand: 19.11.2025

HAZ-Bericht zum Fall in Hannover

35 StVO – Gesetze im Internet

38 StVO – Gesetze im Internet

Wegerecht von Feuerwehr, Polizei und Rettungswagen – Geblitzt.de

Verwarngeld im Straßenverkehr – Geblitzt.de

Rettungsgasse bilden – gewusst wie! – Geblitzt.de

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